Die sozialdemokratische Partei kämpft Seite an Seite mit den sozialdemokratischen Gewerkschafter*innen für Verbesserungen der Arbeitsbedingungen, ein gutes Leben und eine Verkürzung der Arbeitszeit.
Im Jahr 1969 wurde durch die Einführung des Arbeitszeitgesetzes (AZG) ein Meilenstein gesetzt und mit der etappenweisen Einführung der 40-Stunden-Woche bis 1975 ein Rahmen geschaffen, der im Grunde bis vor kurzem Bestand hatte. Die wesentlichsten Eckpunkte dieser zentralen sozialpolitischen Errungenschaft wurden unter Aspekten wie Gesundheitsschutz, faire Verteilung der Erwerbsarbeit und Sicherung von Freiräumen für Familie und Freizeit etabliert.
Spätestens seit 1. September 2018 ist die Arbeitszeitlandschaft eine gänzlich andere geworden. Entgegen den früheren Gepflogenheiten, die Sozialpartner*innen bei einer derart wichtigen Materie in die Verhandlungen miteinzubeziehen und ohne ordentliches Begutachtungsverfahren, wurde eine Novelle des Arbeitszeitgesetzes auf den Weg gebracht, die überwiegend den Interessen der Wirtschaft folgte und zu massiven Veränderungen in der Arbeitswelt führte.
Das wohl vordringlichste Ziel ist der Schutz der Gesundheit. Der mittlerweile einzige Gradmesser gegen andauernde Überbelastung ist dabei nur mehr der Mindeststandard aus der EU-Arbeitszeitrichtlinie. Demnach darf in einem Zeitraum von 17 Wochen eine durchschnittliche Wochenarbeitszeit von bis zu maximal 48 Stunden erreicht werden. Hierbei ist anzumerken, dass an der europarechtskonformen Umsetzung im österreichischen Arbeitszeitrecht berechtigte Zweifel angebracht sind.
Laut Erkenntnissen der AUVA („dass das Unfallrisiko im Laufe eines Arbeitstags steigt. Nach langen Arbeitstagen beziehungsweise in den Abend- und Nachtstunden nimmt die Müdigkeit zu, die Konzentration sinkt und die Unfallgefahr steigt. Hinzu kommt noch das Risiko des Heimwegs für übermüdete Beschäftigte. Wer nach zwölf Stunden nach Hause fährt, hat wegen Unaufmerksamkeit und Müdigkeit ein doppelt so hohes Unfallrisiko wie nach acht Stunden. Verstärkend wirken besonders fordernde, anstrengende Arbeitsbedingungen.“) steigt allein die Unfallhäufigkeit durch längere Arbeitszeiten und das noch ohne Berücksichtigung der sonstigen gesundheitlichen Folgen langer Arbeitszeiten.
Dies muss auch im Kontext des stetig steigenden Drucks in der Arbeitswelt und des immer wieder geforderten längeren Verbleibs im Erwerbsleben gesehen werden. Ein Arbeitszeitgesetz, das generell 12 Stunden pro Tag und 60 Stunden pro Woche, sowie bis zu 20 Überstunden pro Woche ohne Ausgleich zulässt, wird dem intendierten Schutzcharakter in keiner Weise mehr gerecht und ist auch nicht geeignet, gesunde Arbeitsbedingungen sicherzustellen. Eine Rücknahme dieses Gesetzes ist daher unausweichlich.
Ein fairer Interessenausgleich ist in dieser Hinsicht dringend geboten, muss zielgerichtet auf die Branchen Bezug nehmen und im Arbeitszeitgesetz als Kompetenz der Kollektivvertragspartner*innen verankert werden.
Druck und Belastungen auf Arbeitnehmer*innen durch überlange Arbeitszeiten und Arbeitsverdichtung nehmen zu. Arbeit auf Abruf, wechselnde Arbeitszeiten und neue Methoden bei Arbeitsprozessen, wie z.B. Zielvereinbarungen mit hoher Eigenverantwortung für die Arbeitnehmer*innen, weichen die Grenzen zwischen Berufs- und Privatleben auf.
Die Digitalisierung der Arbeitswelt erfuhr durch die seit März 2020 anhaltende Gesundheitskrise eine deutliche Beschleunigung. Homeoffice, Videokonferenzen usw. gehören heute bereits zur Routine. Damit einher geht auch eine zunehmende räumliche und zeitliche Entgrenzung von Arbeit und Arbeitszeit.
Gearbeitet wird oft auch außerhalb der regulären Arbeitszeit; diese Arbeitszeiten bleiben meist unbezahlt. Zu beobachten ist auch, dass es immer öfter Praxis wird, geleistete Vor- oder Nacharbeiten nicht mehr zu bezahlen.
Die Planbarkeit für Arbeitnehmer*innen sinkt und durch moderne Informationstechnologien beschleunigt sich auch das Tempo am Arbeitsplatz. Ständig erreichbar zu sein führt schnell zur Überforderung. Sichtbare Folgen sind das Ansteigen von psychischen Erkrankungen, zunehmende Unsicherheit und die Sorge um den Arbeitsplatz.
Nicht zuletzt wird Österreich auch in internationalen Rankings als eines der Länder mit den höchsten Wochenarbeitszeiten ausgewiesen. In Österreich wurden 2020 insgesamt rund 216,3 Millionen Überstunden geleistet, davon jede siebente (30,2 Millionen) unvergütet. Diese Werte geben ein beredtes Beispiel für die bestehende Schieflage in der Arbeitszeitlandschaft. Während viele Arbeitnehmer*innen durch überlange Arbeitszeiten (Überstunden) belastet sind, finden andere wiederum – vor allem Frauen – mit Teilzeitbeschäftigung und geringfügiger Beschäftigung – oder aber jene, die überhaupt keine Chance auf eine Erwerbsarbeit haben – kein finanzielles Auslangen. Wir fordern eine bessere Verteilung von Arbeitszeit durch eine Verkürzung der effektiven Arbeitszeit sowie Planbarkeit und ausreichende Erholungsphasen für eine bessere Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben, damit Menschen lange gesund in der Arbeit sind und Arbeit nicht krank macht.
Ökonomische Interessen der Arbeitgeber*innen stehen vordergründig in einem Spannungsverhältnis zu den persönlichen Interessen von Arbeitnehmer*innen an gesunden Arbeitszeiten und einer guten Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben. Tatsächlich werden nur Arbeitnehmer*innen in einem Arbeitsumfeld, das ihre Bedürfnisse entsprechend berücksichtigt, motivierte und leistungsfähige Mitarbeiter*innen sein. Bei der Gestaltung der Arbeitszeit sind die Bedürfnisse der Arbeitnehmer*innen jedenfalls gleichrangig zu berücksichtigen.
Nicht zuletzt muss einer im 21. Jahrhundert angekommenen Gesellschaft auch die Schaffung von Freiräumen zur Selbstverwirklichung ein besonderes Anliegen sein. Die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Freiwilligenarbeit etc. hängt nicht nur stark von den zu leistenden Arbeitszeiten ab, sondern ist auch besonders abhängig von der Planbarkeit der Arbeit. Obwohl im Gesetz zumindest eine Vorankündigungsfrist von 14 Tagen normiert ist, wird diese oft nicht eingehalten und Arbeitnehmer*innen willkürlich und kurzfristig zur Arbeit eingeteilt. Auch innovative Arbeitszeitmodelle, wie etwa die 4-Tage-Woche, können Freiräume schaffen, so auch für Pendler*innen, die einen weiten Anfahrtsweg haben. Derzeit ist dieses Modell allerdings nur dann durchführbar, wenn der/die Arbeitgeber*in dies gestattet. Ein modernes Arbeitszeitregime muss sich auch an den unterschiedlichen Lebensphasen orientieren. Betreuung von Kindern oder nahen Angehörigen sowie längere Erholungsphasen mit zunehmendem Alter müssen Berücksichtigung finden.
Ebenso Beachtung verdient das Kapitel Zeitsouveränität. Ein Rechtsanspruch mit Wahlrecht, alle geleisteten Mehr- und Überstunden in Zeit oder Geld zu bekommen, verbunden mit einer rechtlich einfacheren und durchsetzbareren Regelung zur Konsumation der angesparten Zeitguthaben, wäre diesbezüglich dringend geboten.
Sich an den Grundsätzen des Arbeitszeitgesetzes von 1969 zu orientieren, ist, im Hinblick auf die Herausforderungen, denen unsere Gesellschaft gegenübersteht, unausweichlich. Zudem bedarf es in allen Fällen, in denen es um das Leben und die Gesundheit der arbeitenden Menschen geht, auch effektiver Kontrollen. Das ist aber nur möglich, wenn die Behörden auch personell entsprechend ausgestattet sind. Die aktuellen Krisen haben dramatische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt und die Arbeitszeit sowie deren Verteilung. Zu Spitzenzeiten der Pandemie im Jahr 2020 waren über 588.000 Menschen auf Arbeitssuche und über 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Damit war in etwa die Hälfte der Erwerbsbevölkerung direkt betroffen. Auch wenn sich die Arbeitsmarktlage 2021 – für alle Expert*innen überraschend – schneller erholt hat, als erwartet, waren mit Ende Februar 2022 immer noch rund 377.000 Personen arbeitslos oder in einer AMS-Schulung gemeldet. Zusätzlich gibt es Ende Februar 2022 auch noch rund 187.000 Personen in Kurzarbeit. Die Auswirkungen der Gesundheitskrise sind also eindeutig noch nicht überwunden. Und sie hat deutliche Spuren hinterlassen:
Die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen ist von September 2019 mit 94.000 bis Februar 2022 auf rund 105.000 angestiegen. Und die nächste Krise ist bereits absehbar. Die Auswirkungen der sich verdunkelnden Wolken durch die Kriegshandlungen in der Ukraine sind in ihrem vollen Umfang noch nicht abschätzbar. Es ist aber davon auszugehen, dass ausbleibende Rohstoffe und Produkte in der Lieferkette zu Werksschließungen, Kurzarbeit oder gar Kündigungen führen werden. Steigende Energiepreise werden zudem das Wirtschaftswachstum dämpfen. Fest steht: Für ein gutes Leben für alle braucht es eine gute Erwerbstätigkeit für alle und eine adäquate soziale Absicherung für alle.
Daher fordern wir: